Braumeisterin holt die meisten Medaillen
Der Swiss Beer Award kürt die besten Biere: Ostschweizer Brauereien brillieren. Regina Süss, Braumeisterin der St. Galler Brauerei Schützengarten im Interview.
Beim Swiss Beer Award 2024 gab es eine Rekordbeteiligung. Brauereien aus der Ostschweiz haben am besten abgeschnitten, allen voran der «Schützengarten». Braumeisterin Regina Süss, 33, erklärt den Erfolg – und warum sie gerne warmes Bier trinkt.
Acht Auszeichnungen, dreimal Gold für die Brauerei Schützengarten
Nau.ch: Frau Süss, die Brauerei Schützengarten hat beim Swiss Beer Award abgeräumt: Sie haben soeben acht Auszeichnungen erhalten, darunter dreimal Gold. Was bedeuten die Medaillen für Sie?
Regina Süss: Wir dürfen stolz sein: Es ist eine Bestätigung für mich und mein ganzes Team. Die vielen teils internationalen Prämierungen der letzten vier Jahre zeigen, dass wir konstant gute Qualität abliefern – und zwar beim ganzen Sortiment.
Nau.ch: Wie stark können Sie als Produktionsleiterin Einfluss auf Geschmack und Stil Ihrer Biere nehmen?
Regina Süss: Im Technikteam führen wir jede Woche eine Degustation von einer halben bis einer Stunde durch und diskutieren mögliche Verbesserungen. Ausserdem wird die Qualität unserer Biere laufend kontrolliert: im Sudhaus, während der Gärung, im Lagertank, im Filterkeller sowie vor und nach der Abfüllung.
Wie viel Spass macht die Bierverkostung?
Nau.ch: Berufsbedingtes Biertrinken — das scheint ein Traumjob zu sein. Spucken Sie wie beim Weindegustieren, damit sie nüchtern bleiben?
Regina Süss: Nein, wir spucken nicht, wir schlucken. Denn so können wir den bitteren Hopfengeschmack im Rachen besser wahrnehmen. Wir trinken ja nicht literweise, sondern nur einen kleinen Schluck. Ausserdem verkosten wir stets warmes Bier, weil so mehr Aromen wahrgenommen werden.
Nau.ch: Macht das noch Freude?
Regina Süss: Ja, durchaus. Wenn man ein warmes Bier gut trinken kann, dann kann man es erst recht kalt geniessen! Oder anders formuliert: Nur ein schlechtes Bier muss man kalt trinken.
Profis trinken anders
Nau.ch: Deckt sich Ihr persönlicher Geschmack mit dem der Konsument:innen?
Regina Süss: Im Prinzip schon, aber Profis trinken anders: Wir prüfen, ob ein Bier Fehlaromen hat oder biertypisch schmeckt. Laien achten mehr auf die Trinkbarkeit.
Nau.ch: Welches ist Ihr persönliches Lieblingsbier und warum?
Regina Süss: Ich mag unser Schützengarten Säntis Bier: ein helles Kellerpils, unfiltriert, sehr trinkbar und mit angenehmer fruchtiger Hopfennote. Und wenn ich zu Hause in Bayern bin, trinke ich am liebsten das kleine lokale Prösslbräu.
Nau.ch: Sie analysieren als Braumeisterin Trends. Wohin geht die Bier-Reise?
Regina Süss: Eher weg vom Craft Beer zurück zu traditionellen Sorten wie Lager hell, Weizenbier, Amber: Diese traditionellen Biere sind gut trinkbar. Die Hersteller von Craft Beer gehen zum Teil zu experimentell vor, und wenn man ein stark gehopftes IPA trinkt, ist man sehr schnell satt. Daneben werden alkoholfreie Biere noch populärer werden – auch weil sie dank neuen Technologien immer besser werden.
Nau.ch: Hat der Klimawandel einen Einfluss auf die Rohstoffe Hopfen und Weizen? Müssen sich die Hersteller wappnen?
Regina Süss: Ja, der Klimawandel hat Einfluss aufs Braugetreide, allerdings ist das bisher für die Konsument:innen kaum spürbar. Spezialisten kreieren ständig neue Züchtungen, damit die Pflanzen auch in Zukunft trotz Hitze und Trockenheit überleben. Auch die Braumeister sind gefordert.
Nau.ch: Die Brauerei Schützengarten und weitere Bierhersteller aus der Ostschweiz wie die Brauerei Locher und Chopfab haben bei den Swiss Beer Awards besonders gut abgeschnitten. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Regina Süss: Schwer zu sagen. Schützengarten ist die älteste Brauerei der Schweiz, und wir haben sehr gut eingespielte Teams in allen Abteilungen. Ausserdem hat das Bierbrauen und -trinken in der Deutschschweiz mehr Tradition und Stellenwert als etwa im Tessin oder in der Romandie.
Die bayrische Braumeisterin
Regina Süss, 33, stammt ursprünglich aus Bayern. Sie studierte an der Technischen Universität in München unter anderem Brauwesen, Getränketechnologie und Sensorik. Seit 2017 arbeitet sie in der St. Galler Brauerei Schützengarten, seit 2020 ist sie verantwortliche Produktionsleiterin und Qualitätsmanagerin.
Swiss Beer Award: Rekordteilnahme und grosse Vielfalt
Am Donnerstagabend wurden in Baden zum vierten Mal die Swiss Beer Awards feierlich übergeben. Erstmals war die Rekordzahl von 550 Bieren aus 94 Braustätten zur Prämierung eingereicht worden. In einer Blinddegustation vergab die 80-köpfige Jury insgesamt 165 Medaillen in 41 Kategorien.
«Das spricht für die Vielfalt und Kreativität der Schweizer Brauereien», sagt Christoph Lienert vom Schweizer Brauerei-Verband. Am meisten Medaillen gewann die traditionelle Brauerei Schützengarten, gleichauf mit der Brauerei Feldschlösschen, welche zum Carlsberg-Konzern gehört und für ihr Lernenden-Bier eine Goldmedaille erhielt.
Lienert stellt erfreut fest, dass die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten über zunehmende Bierkompetenz verfügen: «Viele tranken jahrelang vor allem Lagerbier, heute interessieren sie sich auch für Spezialitäten und setzen auf kontinuierliche Qualität.»